Auszüge aus dem Entscheid «Schaffhausen (SH)»

Entscheid des Obergerichts des Kantons Schaffhausen vom 11. April 2014 im Beschwerdeverfahren gegen die Aufhebung eines Erlasses für ein Fahrverbot

Infolge eines Rekurses hob der Regierungsrat den Erlass eines Fahrverbots durch den Stadtrat Schaffhausen und den Gemeinderat Beringen auf. Im vorliegenden Entscheid stellt das Obergericht fest, dass der Regierungsrat die Anforderungen des FWG an den Schutz der Wanderwege nicht berücksichtigt hat. Der Fall muss somit durch den Regierungsrat neu beurteilt werden, unter Berücksichtigung der Wanderweginteressen. Folgende Inhalte des Entscheids sind besonders hervorzuheben:

Umfassende Abklärung der Verkehrssituation erforderlich

Beim Erlass oder der Aufhebung von Fahrverboten auf Gemeindestrassen, die zugleich als Wanderwege dienen, sind die Bestimmungen nach Art. 7 Abs. 2 Bst. c FWG sowie die Empfehlungen der Vollzugshilfe Langsamverkehr Nr. 11 «Ersatzpflicht für Wanderwege» (Ziff. 4.3) zu berücksichtigen.

Zitat aus dem Entscheid: «Stand ein Wanderweg von Anfang an dem allgemeinen Fahrverkehr offen, muss nach den von den Kantonen zu berücksichtigenden Empfehlungen des Bundes [Vollzugshilfe «Ersatzpflicht für Wanderwege, ASTRA, Schweizer Wanderwege, 2012] anhand der konkreten Umstände entschieden werden, ob eine Aufhebung nötig ist und die Ersatzpflicht zum Tragen kommt oder andere Massnahmen zu ergreifen sind.» […] Eine eingehende Sachverhaltsabklärung im Sinne der Empfehlungen des Bundes ist im vorliegenden Fall bisher nicht erfolgt. So wurde im Rahmen des Rekursverfahrens zwar eine Verkehrszählung bezüglich der Frequenz der Überfahrten über den Kistenpass durchgeführt und der durchschnittliche tägliche Verkehr (DTV) ermittelt, welcher mit 370 Fahrzeugen pro Tag beziffert wurde. Hierbei handelt es sich um eine deutliche Zunahme gegenüber einer früheren Verkehrszählung von 2008, welche lediglich 150 bis 220 Überfahrten ergab, was die Annahme der Beschwerdeführerin bestätigt, der Kistenpass werde vermehrt – möglicherweise im Zusammenhang mit dem Bau des Galgenbucktunnels bzw. der entsprechenden Verkehrs-erschwernisse in der Enge – als Abkürzung für den Weg vom Klettgau nach Schaffhausen benutzt. Nicht abgeklärt wurde jedoch, wann diese Überfahrten erfolgten bzw. welche Frequenzen zu den Hauptwanderzeiten (Nachmittage; Wochenenden) bestehen. Immerhin ergibt der ermittelte DTV von 370 Fahrzeugen pro Tag, dass der Motorfahrzeugverkehr umgerechnet auf eine Stunde Werte im kritischen Bereich aufweist (über 15 Fahrzeuge pro Stunde) und dies nicht nur auf einer kleinen Wegstrecke, sondern im Prinzip auf der ganzen Länge des Wanderwegs, weshalb dieser Frage erhebliche Bedeutung zukommt. Zu berücksichtigen sein wird auch, dass sich durch den Motorfahrzeugverkehr insbesondere in trockenen Jahreszeiten erhebliche Staubimmissionen ergeben. Nicht näher abgeklärt wurde sodann die Gefahrensituation im Zusammenhang mit dem bestehenden Motorfahrzeugverkehr, was sich schon deshalb aufdrängen würde, weil die Abklärungen der Stadt Schaffhausen er-geben haben, dass die erlaubte Geschwindigkeit 30 km/h offenbar nur von ca. 15 Prozent der Automobilisten eingehalten wird. Es müsste daher zu dieser Frage jedenfalls ein polizeilicher Bericht eingeholt werden, welcher sich zur Gefahrensituation äussert und auch allfällige Unfallzahlen in die Beurteilung mit einbezieht. Der Sachverhalt ist somit ungenügend abgeklärt.»

Pflicht zur Anhörung der Wanderweg-Fachstelle

Bei Entscheiden, welche Fuss- und Wanderwege berühren, müssen die kantonalen Wanderweg-Fachstellen zwingend angehört werden. Ihre Stellungnahmen bilden ein unumgängliches Beweismittel für den betreffenden Entscheid.

Zitat aus dem Entscheid: «Bei Entscheiden, welche Fuss- und Wanderwege berühren, ist gemäss § 7 Abs. 2 i.V.m. § 8 lit. a FWV/SH eine Stellungnahme des Kantonsforstamts als kantonale Fachstelle für Wanderwege einzuholen. Es trifft zu, dass sich diese Pflicht nicht ausdrücklich aus dem Bundesrecht ergibt, welches die Kantone in Art. 13 FWG lediglich verpflichtet, eine kantonale Fachstelle zu schaffen. Der Beizug der entsprechenden Fachstellen entspricht jedoch bei einschlägigen Planungs- und Bewilligungsentscheiden im Bereich des Raumplanungs- und Umweltrechts den üblichen Anforderungen an ein sachgemässes und koordiniertes Verfahren und soll sicherstellen, dass das nötige Fachwissen in die Beurteilung durch die zuständige Behörde einfliesst. Es handelt sich somit bei den entsprechenden Fachstellen nicht lediglich um beratende Organe, deren Stellungnahme die Entscheidbehörde je nach Gutdünken und vorhandenen eigenen Kenntnissen beiziehen oder darauf verzichten kann. Vielmehr müssen die betroffenen Fachstellen zwingend angehört werden und ihre Stellungnahmen bilden ein unumgängliches sachliches Beweismittel für den betreffenden Entscheid (Amtsbericht der sachkundigen Fachstellen).»

Der Wanderwegorganisation die Möglichkeit zum Verfahrenseintritt geben

Wird ein Rechtsfall durch die übergeordnete Behörde zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückgewiesen, weil die Wanderweginteressen nicht ausreichend berücksichtigt worden sind, muss der beschwerdeberechtigten Wanderwegorganisation die Möglichkeit zum Verfahrenseintritt gewährt werden.

Zitat aus dem Entscheid: «Nachdem nun aber eine Rückweisung der Sache aus materiellen Gründen bzw. wegen mangelhafter Sachverhaltsabklärung erfolgt und der Regierungsrat bei der Weiterbehandlung der Sache auch die Aufhebung bzw. den Ersatz des bestehenden Wanderweges prüfen muss, ist der Regierungsrat aus den erwähnten Gründen einzuladen, den beschwerdeberechtigten Organisationen nach Art. 14 Abs. 1 lit. b FWG vor seinem neuen Entscheid die Gelegenheit zum Verfahrensbeitritt zu geben, was vor allem auch deshalb bedeutsam ist, weil der Rekursentscheid des Regierungsrats auf Verwaltungsgerichtsbeschwerde hin vom Obergericht nur noch auf Fehler in der Sachverhaltsfeststellung und in der Rechtsanwendung, nicht aber hinsichtlich der Ermes-sensausübung überprüft werden kann.»