Asphaltierung von 100 Metern Wegstrecke - Verweigerung der Baubewilligung

Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons BE vom 15.11.1990 i. S. Wohlen (BVR 1991 222 ff.)

Ausgangslage

Das Raumplanungsamt des Kantons Bern und die kantonale Baudirektion verweigerten der Gemeinde Wohlen die Bewilligung für die Asphaltierung eines Wegabschnitts von 100 Metern auf einer Hofzufahrt, die zugleich als Wanderweg dient. Die Gemeinde reichte beim Verwaltungsgericht des Kantons Bern Rekurs ein. Als Grund für den Belagseinbau wurde Staubfreimachung angegeben. Es wurde kein Ersatz für den betroffenen Wanderweg angeboten.

Erwägungen

Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern behandelt in seinen Erwägungen zwei Hauptfragen, die es wie folgt beantwortet:

 

1. Welche Auswirkung hätte das Vorhaben auf den betroffenen Wanderweg und auf das Wanderwegnetz?
Das Gericht lässt das Argument der Beschwerdeführerin, wonach der Wanderweg nur unwesentlich beeinträchtigt werde, weil nur ein relativ kleiner Wegabschnitt betroffen sei, nicht gelten. Es begründet dies wie folgt: «Es kann […] nicht darum gehen, nur einzelne gefährdete Wegteilstrecken jeweils für sich gesondert zu beurteilen; dies würde von vornherein zu einer unbefriedigenden und sachfremden Praxis in der Gesetzesanwendung führen. Die Beschwerdeführerin legt denn auch mit Recht Gewicht auf die Feststellung, dass ein Vergleich der hier umstrittenen mit der gesamten Strecke des interessierenden Wanderwegs (je nach Betrachtungsweise 100 m im Vergleich zu 10 bzw. 20 km) zum Schluss zwingen könnte, quantitativ handle es sich um ein „verschwindend kleines“ Teilstück. Diese rein quantitative Betrachtungsweise greift indessen nach Meinung des Verwaltungsgerichts zu kurz. Sie berücksichtigt zu wenig, welche Präjudizwirkung asphaltierten Teilstücken von je ca. 100 m anhaftet. Es gilt zu bedenken, dass aus Gründen der Rechtsgleichheit anderen Anwohnern von vergleichbar staubigen Wanderweg-Teilstücken in der Gemeinde Wohlen und in anderen Gemeinden des Kantons gleiche oder ähnliche Erleichterungen verschafft bzw. gewährt werden müssten und dass damit bald einmal mehrere hundert Meter oder mehrere Kilometer ein und desselben Wanderwegs mit wanderfeindlichen Belägen versehen wären.»

2. Ist das Interesse am Vorhaben höher einzustufen als das Interesse an der Erhaltung des Wanderwegs?
Das Gericht lässt die Begründung der Beschwerdeführerin nicht gelten, wonach der Belagseinbau notwendig sei, um auf den umweltbelastenden Einsatz von Kalziumchlorid zur Staubfreimachung verzichten zu können. Das Gericht begründet dies wie folgt: «Gerade die Tatsache, dass sich auf der hier interessierenden Strecke grundsätzlich nur Zubringer- und landwirtschaftlicher Motorfahrzeugverkehr abwickelt, lässt das Interesse der Beschwerdeführerin und der privaten Anlieger am Einsatz von Kalziumchlorid zur angestrebten Staubeindämmung als gering erscheinen. Dies um so mehr, als die Bewohner der Liegenschaft B. selbst dazu beitragen können, übermässige Staubentwicklungen zu verhindern, indem sie den Weg mit angepasst tiefer Geschwindigkeit befahren. Im Gegensatz zur Ansicht der Beschwerdeführerin scheint somit keine besondere Situation vorzuliegen, in welcher der Einsatz von Kalziumchlorid unabdingbar erschiene (vgI. Art. 10 Abs. 1 StoV), weshalb dem öffentlichen Interesse an der Einschränkung des Einsatzes von Kalziumchlorid für die Frage der Teerung des Wanderwegs kein erhebliches Gewicht zukommen kann. Demgegenüber ist bei der Interessenabwägung zu beachten, dass die Vorderdettigenstrasse Bestandteil der Wanderroute Bremgarten–Hinterkappelen–Wohlen ist und in den Inventar-plänen als ungeteerte Hauptwanderroute aufgeführt wird. Die Erhaltung der Wanderwege als Naturwege stellt das wichtigste Ziel der Wanderweggesetzgebung dar. An der Bewahrung des jetzigen ungeteerten Zustandes der Vorderdettigenstrasse besteht deshalb ein erhebliches Interesse der Allgemeinheit. […] Wer an einem ungeteerten Wanderweg wohnt, muss im Interesse der Erhaltung dieses Wegs gewisse Unzukömmlichkeiten in Kauf nehmen. Vorliegend sind diese Nachteile – insbesondere mit Blick auf das Fahrverbot – hinzunehmen.»

Entscheid

Die Verweigerung der Baubewilligung ist rechtmässig. Der Rekurs wird abgewiesen.

Kommentar

Gemäss den Erwägungen des Berner Verwaltungsgerichts darf aus dem Wortlaut von Art. 7 Abs. 2 Bst. d FWG nicht abgeleitet werden, dass der Einbau ungeeigneter Beläge auf kürzeren Wegstrecken ohne Ersatz generell zulässig wäre. Der im FWG beschriebene Zielzustand für das Wanderwegnetz – und der damit verbundene Auftrag an die Vollzugsbehörden – lautet, dass das Wanderwegnetz keine grösseren Wegstrecken mit ungeeigneten Belägen enthalten soll. Um diesen Zielzustand zu erreichen, ist Ersatz auch für kürzere Belagsstrecken erforderlich, da daraus über die Zeit grössere Belagsstrecken entstehen. Hätte der Gesuchsteller demzufolge, in Absprache mit der Wanderweg-Fachstelle, angemessenen Ersatz angeboten, wäre die Interessenabwägung nicht notwendig und der Belagseinbau zulässig gewesen.
Der Entscheid belegt zudem, dass das öffentliche Interesse an der Erhaltung eines Wanderwegs mit geeigneter Oberfläche unter den gegebenen Voraussetzungen höher zu gewichten ist als das Interesse an der Staubfreimachung zur Komfortsteigerung für die Anwohnerschaft.